Die Artikelserie WissensWERTE startet mit einem sehr interessanten Beitrag von Philipp Pfab, Rechtsanwalt in München, der uns sieben wichtige Tipps für unser Erscheinen und Verhalten vor Gericht gibt.

(Anmerkung: sofern im Artikel von „Unternehmer“ oder „Mandant“ die Rede ist, so ist dies bitte geschlechtsneutral zu verstehen.)

Unternehmer vor Gericht - Wie verhalte ich mich im Prozess richtig?

Die meisten Unternehmer müssen früher oder später einmal vor Gericht gehen. Die Verhandlung vor Ort ist dabei für den Ausgang des Verfahrens eminent wichtig. Daher muss auch der Auftritt des Mandanten, des Unternehmers, klappen. Nur, wie verhält man sich am besten als Unternehmer vor Gericht? Die sieben wesentlichen Punkte darf ich Ihnen hier schildern:

1. Vor Gericht ist vor dem Richter
DAS Gericht gibt es nicht. Es sind immer Richter, die auf der Richterbank sitzen. Es sind also Menschen, die entscheiden und diese Menschen müssen überzeugt werden, dass sie die Sache so sehen, wie man selbst. Manche dieser Richter sind beeinflussbar (oft hilft auch gutes Aussehen); manche sind es nicht. Manchmal menschelt es vor Gericht und manchmal ist die Atmosphäre derartig eisig, dass keiner mehr ein Wort sagen will. Auch wenn es immer heißt: „Die Sache steht im Mittelpunkt“. Es ist der Richter als Mensch, der auch mit seinen eigenen Wertvorstellungen, mit seiner eigenen Erfahrung und seinen eigenen Wünschen die Sache und damit den Ausgang des Prozesses entscheidet.

2. Richtig anziehen
Für die mündliche Verhandlung beim Gericht sollte sich der Mandant richtig anziehen. Was ist richtig? Es ist schlicht die Kleidung, in der sich jeder einzelne wohlfühlt. Sich gezwungenermaßen eine Krawatte umzubinden oder ein Kostüm zu tragen, wenn sich das falsch anfühlt, ist nicht hilfreich. Der Richter darf nicht das Gefühl bekommen, dass bei dem Mandanten etwas nicht stimmt. Denn dann überträgt sich das Gefühl auch auf den Richter (wohlfühlen heißt aber nicht T-Shirt oder kurze Hose; Berufskleidung ist aber immer in Ordnung).

3. Vor Gericht heißt Vertretung
Ein eigentlich einfacher Tipp, der aber nur allzu oft vergessen wird: Lassen Sie sich vor Gericht durch einen Rechtsanwalt vertreten. Jeder Unternehmer mag in seinem Fachbereich spitze sein. Es soll der Richter aber nicht als Unternehmer überzeugt werden. Der Richter ist Jurist. Er will das lesen, was einen Juristen überzeugt. Dann sollte das auch ein Jurist schreiben. Zudem schärft ein Blick von Außen bekanntlich auch die eigene Einsicht. Auch Juristen oder Anwälte lassen sich, wenn sie selbst betroffen sind, vor Gericht durch Kollegen vertreten. 

4. Richtiger Anwalt
Wählen Sie den richtigen Anwalt. Der richtige Anwalt sollte zu Ihnen passen. Es gibt nicht DEN richtigen Anwalt, der zu allen Unternehmern passt – Menschen sind einfach zu verschieden. Wie finden Sie den richtigen Anwalt? Fragen Sie in Ihren Netzwerken gezielt nach Anwälten. Diese kennen oft einen Kollegen, der Ihren Fachbereich betreut. Anwälte können oft am besten einschätzen, welcher Anwalt Ihnen besonders hilfreich ist. 

Oft ist auch die Ortskenntnis des Anwaltes entscheidend. Es gibt Richter, die fackeln nicht lange: da wird sofort entschieden. Es gibt aber auch Richter, die partout keine Entscheidung treffen wollen und immer wieder vertagen, um die Parteien zu einem Vergleich zu bringen. Man muss als Anwalt „seine“ Richter kennen, damit man sich hier entsprechend vorbereiten und darauf einstellen kann. Fragen Sie also den Anwalt, welche Erfahrung er vor dem Gericht hat. 

5. Was sage ich vor Gericht?
Jeder muss vor Gericht damit rechnen, dass ihn der Gegner oder die Richter direkt ansprechen und etwas fragen. Oft ist die Not dann groß: „Was sage ich jetzt?“ Ein juristischer Laie weiß in der Regel nicht, was er mit einer für ihn ganz neutralen Aussage rechtlich bewirkt. Hier hilft tatsächlich nur eins: Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung! Dies gilt für Anwalt und Mandant: Es gibt für eine mündliche Verhandlung nichts so Wesentliches, wie die Vorbereitung. Ich selbst lese z. B. vor jeder mündlichen Verhandlung die Akten immer noch einmal komplett durch. Man muss den Sachverhalt in der mündlichen Verhandlung ganz präsent haben, damit man entsprechend reagieren kann. Ich spreche zudem mit meinen Mandanten – in der Regel am Tag vor der Verhandlung – noch einmal die wesentlichen Punkte durch. So können tragende Punkte wieder ins Gedächtnis gerufen werden und sind noch besser präsent. 

Wenn meine Mandanten aber dann in der mündlichen Verhandlung ins Reden kommen und ich merke, dass sie sich um Kopf und Kragen reden könnten, habe ich mit ihnen zuvor ein sehr wirksames Zeichen vereinbart: Ich trete ihnen auf den Fuß. Dies bedeutet, dass sie sofort zu sprechen aufhören müssen. Dies ist effektiv und wirkt. Ich übernehme dann das weitere Sprechen und mein Mandant ist vom Glatteis weg. 

6. Kann ich, muss ich, soll ich Zeuge sein?
Zunächst: Der Auftritt vor Gericht als Zeuge ist Pflicht: Wenn Sie als Zeuge geladen sind, müssen Sie erscheinen (das taugt im Übrigen nicht als Geschäftsmodell: die Zeugenentschädigung für Verdienstausfall beträgt maximal € 17,00 pro Stunde).

Zeugen sind für ein Verfahren ganz besonders wichtig. Sie sind – neben Urkunden und Dokumenten – das wichtigste Beweismittel. Von einer Zeugenaussage hängt oft der Ausgang des Verfahrens ab.

Wichtig für den Unternehmer: der gesetzliche Vertreter einer Firma (insbesondere Geschäftsführer der GmbH und Inhaber eines inhabergeführten Unternehmens) kann im Prozess nicht als Zeuge auftreten, da er selbst Partei ist. Dies ist natürlich dann misslich, wenn z. B. für ein Vier-Augen-Gespräch dann kein sonstiger Zeuge zur Verfügung steht. Hier hilft aber ein Trick: Für die Entscheidung, ob jemand Zeuge oder Partei ist, gilt der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Wenn also ein GmbH-Geschäftsführer vor der Vernehmung seine Geschäftsführertätigkeit aufgibt, ist er nicht mehr gesetzlicher Vertreter und kann flugs Zeuge sein – und kann danach jederzeit wieder Geschäftsführer werden.

7. Muss ich zu Gericht?
Wenn Sie Beklagter sind, dann müssen Sie.

Sofern Sie Ihre eigenen Ansprüche vor Gericht durchsetzen wollen und eine vorgerichtliche Einigung nicht geklappt hat, gibt es jedoch auch alternative Verfahren. Oftmals bieten diese Verfahren einen bestimmten Vorteil gegenüber dem normalen Gerichtsverfahren.

Dies gilt z. B. für eine Mediation (Vorteil: schnelle Lösung möglich; Geschäftsbeziehung in der Regel nicht so stark belastet) oder für ein Schiedsverfahren (je nach Schiedsvereinbarung: kostengünstige Variante; und vor allem: endgültige Entscheidung - kann nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden). Welche Alternative konkret sinnvoll oder hilfreich ist, das - wie man so schön sagt: kommt immer darauf an.

Über den Autor:

Philipp Pfab ist Rechtsanwalt in München und hat sich auf die Schwerpunkte "Wirtschaftsrecht" und "Familien- und Scheidungs-recht" spezialisiert.
Seine Mandanten schätzen an ihm vor allem seinen persönlichen Einsatz und seine bestimmte, aber auch charmante Haltung.

Weitere Informationen finden Sie unter www.kanzlei-pfab.de

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WissensWERTE für KMU’s ist eine Artikelserie von Alexandra Wagner-Kugler, Gut positioniert und Christine Läkamp, CLCC Finance Consulting Management.